In den letzten Wochen und Monaten denke ich öfter über meine Vergangenheit als Friseurunternehmer nach:
Vor 20 Jahren habe ich den Salon, in dem ich als Salonleiter tätig war, aus einer Insolvenz heraus übernommen! 12.000 € + 8.000 € für die noch nicht abgezahlte Einrichtung – eine für meine damaligen Verhältnisse fürchterlich hohe Summe!

Die Zeiten waren kompliziert. Ich hatte weniger als null und die Bank wollte mir nichts finanzieren! Die 8.000 € für die Einrichtung hat die Firma Wella damals finanziert und ich habe das Geld über die Rabatte abgezahlt. Bedeutet, ich habe deutlich teurer eingekauft als es normal gewesen wäre. Den Dispokredit in Höhe von 4.000€ hat mir die Bank nur zähneknirschend bewilligt und die 12.000 € bekam ich einfach nicht zusammen! Am Ende fehlten mir 6.000 € und der Insolvenzverwalter hat sich genauso zähneknirschend auf 6 Monate á 1.000 € Raten eingelassen. Das war das Geld, welches ich vom Arbeitsamt als Überbrückung bekam – ebenfalls 6 Monate!

Ja richtig – ich startete ohne Hilfe – ohne alles und hatte eigentlich von Unternehmertum keine Ahnung!
Am 01.04.2004 startete ich blauäugig und naiv in die Selbstständigkeit – und als ich am 30.04.2004 die Löhne überweisen sollte, hatte ich beinah meinen ersten Zusammenbruch! (es sollten noch einige folgen)
Ich weiß nicht mehr wie viel Geld, das damals war – aber ich hatte noch nie so viel Geld auf einem Mal besessen und musste das alles „wegüberweisen“!

Den Tränen nah, habe ich den Absenden-Button erst eine ganze Stunde später gedrückt!

Der Rest ging irgendwie so an mir vorbei, ohne dass ich da heute noch im einzelnen konkreten Wissen drüber habe!
Ich wurde von Werbetreibenden abgezockt, habe Mitarbeiter verloren, Azubis eingestellt und ausgebildet und lebte oft von der Hand in den Mund! Zwei Einbrüche, verlorenes Geld und eine dilettantische Polizei, die anfangs keine Einbruchspuren finden konnte und meinte, wir hatten den Einbruch fingiert! Erst ich und meine Mitarbeiter mussten den Beamten helfen, die noch heute für jeden sichtbaren Spuren aufzuzeigen. Am Ende des Monats immer in Angst, ob das Geld reichen wird um die Löhne meiner Mitarbeiter zahlen zu können. Mein erstes Firmenfahrzeug war ein VW Lupo und meine 2-Zimmer-Dachgeschoss-Wohnung war billig und alles – aber nicht schön! Ich war der naiven Meinung, das ich höchste Qualität zum möglichst niedrigen Preis verkaufen wollte, so das sich jeder den Spaß bei uns leisten könnte! Am Ende boten wir zwar eine MEGA-Qualität – zogen aber schwierige und preisempfindliches Klientel an, nennen wir sie mal freundlich “Schnäppchenjäger”! Schnäppchenjäger – aber wollen es am liebsten immer billiger haben – mit Schnäppchen sind gute Löhne für gute Mitarbeiter nun mal nicht drin und am Ende endete es oft so, wie es enden musste!

Das ging so bis ca. 2010-2011 – dann wurde es schwierig!
Ich verlor den Überblick, habe geackert und gekämpft, das Ganze zu überleben. Ich hatte zu viele Mitarbeiter, die zu wenig Umsatz machten! Der Einzige, der wirklich krasse Umsätze machte, war ich selbst! Wie? Ich habe geackert und geackert und dabei keine Zeit gehabt, mich um mein Unternehmen zu kümmern! Die Preise – die Löhne (damals war der Tarif bei 7,51 €) noch mieser und die Umsätze der Mitarbeiter entsprechend! Dann – es kam, wie es kommen musste, Ärger im Team – ich war mental und körperlich am Ende – meinen Frust bekämpfte ich mit billigem Alkohol und um im Salon für gute Laune zu sorgen, betätigte ich mich als Entertainer! Dann kam es, wie es so kommt – einige krasse Veränderungen im Team und andere schwierige Ereignisse ließen das klamme Konstrukt kollabieren…

Jubiläum Haarchitektur 20 Jahre

Bei diesem schrecklichen Bild und noch schrecklicheren Text – wünschte ich mir eine Zeitmaschine!

2012 wurde mein maßlos überzogenes Konto gesperrt – statt 8.000 € Dispo hatte ich 18.000 € minus und auch mein privates Konto war mit 2.000 € belastet!

(hier kannst Du die ganze Geschichte nachlesen)

Minus 20.000 € und 8 Jahre später und ich war wieder da, wo ich angefangen hatte!

Was für ein Mist! Alle hatten Schuld an den Mieseren – meine Mitarbeiter, die alle faul und bocklos waren, die Bank, die mich einfach fallen ließ und die bösen Kunden, die geizig waren und ja niemals mehr zahlen würden! Nur einer – der konnte da rein gar nichts für – ich – ich war immer nur ein Opfer!

Ja – das war vor 14 Jahren – pleite und verloren und alleingelassen!
Alles brach damals um mich zusammen! Die Hälfte meiner Mitarbeiter verließen mich, meine Beziehung endete, mentales Extremtief mit suizidalen Gedanken. Aber dann, ich konnte mich selbst nicht mehr ertragen! Von Selbstmitleid zerfressen erwachte irgendetwas in mir! Al erstes verlies mich der Alkohol und lies mich mit meinem Frust allein! Denn noch heute gibt es eine klare Regel in meinem Leben – Alkohol und Frust gehören nicht zusammen!

2013, nur ein Jahr nach dem absoluten Tiefpunkt, war ich schuldenfrei – hatte mein Unternehmen wieder im Griff und hatte das eigentliche Problem in meinem Salon identifiziert!

Mich selbst!

In den nächsten Jahren arbeitete ich intensiv an mir selbst – versuchte als Unternehmer und Persönlichkeit zu wachsen und zu lernen!
Als erstes aber erhöhte ich meine Preise über Nacht um ca. 50% – das führte zu einem Schrei- und Popelkonzert, da aber auch die Hälfte unseres Teams nicht mehr da war, war die Auslastung eh unmenschlich! Dann kam das, was kommen musste, es kamen mit den neuen Preisen neue Kunden und die fanden unsere Preise eher günstig! Auch unsere Löhne haben wir nach und nach an diese Situationen angepasst. 2013 habe ich auch diesen Blog eröffnet, (damals noch eine echte Innovation und total IN) hier habe ich all meine Gedanken und Erlebnisse niedergeschrieben.

Heute, 12 Jahre nach dem Neustart, bin ich mit einem kleinen, aber feinen Team bewaffnet!
Zwei meiner damaligen Mitstreiter sind heute noch dabei und ich bin aktuell glücklicher als je zuvor! Der Kontakt zu meiner Ex ist all die Jahre auf einer freundschaftlichen Ebene geblieben und ihre Tochter, die bei unserer Trennung noch im Kindergartenalter war und mich als Ihren Papa angesehen hat, ist nach wie vor ein fester Teil meines Lebens und Herzens! Heute ist das zauberhafte Mädchen fast 15 Jahre alt – mitten in der Pubertät und mir näher als es ein eigenes Kind sein könnte! Ich bin an der Aufgabe ein Papa zu sein, extrem gewachsen und dadurch auch als Unternehmer und Teamleader viel besser geworden.

 Was ist heute anders als Damals?

Wer denkt, die nächsten Jahre waren nur rosig und mit Erdbeerduft versehen waren – den muss ich enttäuschen – es warteten immer wieder einige Krisen und Herausforderungen auf mich und wer denken mag, dass das Leben als Unternehmer jemals vollkommen sicher und ohne besondere Herausforderungen ablaufen wird, der kann gleich mal weiter träumen!

Aber ich habe stetig an meinem Unternehmen und wie ich es führe – gearbeitet.
Heute bin ich nur noch nebenberuflich Friseur-Unternehmer, ich verbringe den Großteil meiner Zeit damit anderen Friseuren bei all den Problemen zu helfen, die ich damals ganz ohne Hilfe überwinden musste!

Im August 2023 habe ich einen weiteren Meilenstein in meinem Friseur-Unternehmerleben erbracht – ich habe die Löhne meiner Mitarbeiter, ganz gegen den Trend, freiwillig um 4€ pro Stunde erhöht und diese Erhöhung offen und transparent kommuniziert an meine Kunden weitergegeben!

Ich gebe zu – ich hatte etwas Angst – denn es waren mal wieder 13% bis ca.30% die ich hier aufgeschlagen und meine Mitarbeiter auf ein neues Level gehoben habe. Aber was soll ich sagen mit den „guten“ Preisen haben wir auch sehr gute Kunden erhalten! Kaum einer hat überhaupt noch gefragt, oder etwas dazu gesagt – viele haben das tatsächlich gefeiert und mich persönlich für diesen Schritt gelobt!

Ja ich bin stolz auf das, was ich in den Jahren erreicht und geschafft habe! Ich bin so unsagbar stolz auf mein Team!  Ich bekomme gute Laune, wenn ich an jeden einzelnen meiner Mitarbeiter denke und wie stolz mich deren exzellente Arbeitsleistung macht!

Und wenn ich es mir aussuchen dürfte? Wenn ich all die Probleme, Fehler, Sorgen, Tränen und Ängste vergessen dürfte und rückwirkend nicht erleben könnte – würde ich es tun?

Nein – auf keinen Fall – auch wenn die ganze Kacke, die ich erlebt haben, damals unglaublich schmerzhaft und aufreibend war. Ich will das, was ich durchlebt und gelernt haben, nicht missen!

Kraft kommt durch Training und jede Krise weckt das beste in Dir, wenn Du gelernt hast – an Krisen zu wachsen und nicht zu verzweifeln!

Heute jährt sich der Aprilscherz das zwanzigste Mal – 20 Jahre Friseursalon Haarchitektur – 20 Jahre Misserfolg und lernen, um dann um so erfolgreicher zu werden! Nun stehen wir vor dem nächsten Meilenstein – neue Lampen, Waschbecken und eine neue Rezeption führen uns weiter und beenden unser Umstyling-Prozess (neue Arbeitstische und neuer Fußboden und viele kleine Verbesserungen).
Mit nun bald Mitte 50 wird dies nun hoffentlich “meine” letzte große Investition für den Salon sein.

So und nun zum Abschluss möchte ich mich bedankenbedanken bei unseren bis heute treuen Kunden, die all dies die letzten 20 Jahre begleitet haben. Bei all meinen „alten“ und „neueren“ aber auch „ehemaligenKollegen und Mitarbeitern – bei meiner Familie, die all das Ertragen und am Ende auch mitgetragen hat! Bei meinen Freunden und Geschäftspartnern für die jahrzehntelange Unterstützung, bei meiner Ex-Partnerin, die diesem komischen Typen all die Jahre vertraut und ihn eine Vaterfigur für ihre Tochter hat sein lassen! Am Ende natürlich, bei meiner großen Liebe, dem Kind, welches ich mit erziehen und eine so wichtige Vertrauensperson haben sein können und die mich seit einiger Zeit auch in meinem Betrieb, einmal die Woche und in den Ferien unterstützt und ein festes Teammitglied bei uns ist.

20 Jahre Unternehmer und noch gar nicht müde!

Ich habe große Freude an meinem Unternehmerleben und wer hätte es gedacht – seit 2018 bin ich tatsächlich zweifacher Unternehmer und betreibe mit meiner Geschäftspartnerin Martina Jovanovic (seit 2022) eine sehr erfolgreiche Unternehmensberatung für Friseure und Kosmetiker – PreisExpert FriseurCoaching – hier helfen wir genau bei den Problemen, die ich eben selbst, damals „alleine“ überwinden musste.

Das zehnjährige Jubiläum haben wir noch groß gefeiert – 10 Jahre weiter – reifer und weiser – feiern wir „mein Team und ich“ nur im kleinen Kreise! Wir machen keine Werbung – kein Tamtam und keine Aktionen – wir feiern uns selbst! Das soll reichen!

Logo im Wandel der Zeit

Vielen Dank für Euer Interesse.