Rheinische Post c/o Horst Thoren bezugnehmend ihres Artikels "Abzocke statt Solidarität"

 

Sehr geehrter Herr Thoren,

als mich ihr Artikel hier auf Facebook begegnete – war ich im ersten Moment ein wenig sprachlos – und glauben sie mir bitte – das passiert mir nicht allzu oft!

Nun sind wir also alles unsolidarische Abzocker – weil wir es wagen – wie andere Unternehmen auch – gestiegene Kosten und herbe Verluste durch die Krise an unsere Kunden weiter zu geben.

Es gibt auch bei uns Kollegen, die eine Preisanpassung als unmoralisch betrachten!

Da fällt mir wenig zu ein – denn ich kenne die Situation unserer Branche nicht nur aus der Sicht eines Friseurs – sondern auch aus der Sicht eines Unternehmensberaters – dem die desolate finanzielle Situation bei meinen Kollegen immer wieder sehr bitter aufstößt – nämlich dann, wenn es schon zu spät ist und ich dem Kollegen leider nicht mehr helfen kann!

Was ist nur los im Friseurmarkt – ich mag Ihnen das mal erklären – wir Friseure haben es nicht so mit Zahlen – wir mögen in der Regel nicht so gerne rechnen und wenn wir mal neue Preise brauchen, dann machen wir das meistens aus dem Bauch heraus oder schauen was die Konkurrenz so nimmt.

Das führt dazu, dass viele Friseurunternehmer ähnlich mies bezahlt sind, wie ihre Mitarbeiter – mehr als Mindestlohn ist meistens nicht drin – denn die armen Kunden sind ja soooo schrecklich Preisempfindlich – und DAS können die armen Menschen ja nicht bezahlen!

Dicke Autos, Urlaub, das neueste I-Phone – tolle Klamotten die wunderbare Handtasche, überteuerten Kaffee in Pappbechern – all das geht, aber einen menschenwürdigen Lohn für Servicekräfte oder Friseure – ist nicht möglich!?

Wir Friseure sind oft keine guten Kaufleute – wir sind so eher die Künstlertypen, wir sind empathisch und wir sind harmoniebedürftig! Da passen hohe Preise und unangenehme Preisdiskussionen nicht so gut in unser Weltbild! Und dann kommt da noch so ein Schreiberling und gibt unserem schlechten Gewissen noch Futter in dem er uns als Abzocker verunglimpft!?

Viele Friseure verkaufen sich weit unter Wert – wir sind Handwerker und müssen wie viele andere Handwerker einen teuren Meistertitel erarbeiten, um eine Selbständigkeit überhaupt anstreben zu dürfen. Unsere Mitarbeiter führen fast ausschließlich Handarbeit aus – wir alle wissen was Handarbeit sonst im HANDwerk und anderwo kostet! Automechaniker, Tischler, Maurer, Gas-Wasser und z.B. Dachdecker haben zum Teil mehr als das Doppelte als Stundefaktor wie wir Friseure und ein guter Handwerker wird kaum unter 20€ Stundenlohn zur Arbeit gehen!

Friseure werden bei über 30€ Stundenfaktor schon als „zu“teuer empfunden und die Mitarbeiter werden so schlecht entlohnt, dass das Fachkräftemarkt komplett zusammengebrochen ist! Mehr als Mindestlohn ist eher selten und die Tarife eiern so um die 10€ rum. Ich bin  mir sicher, für diese Knete stehen sie nicht mal auf!

Nun nach der Krise sind wohl einige Kollegen endlich wach geworden und müssen sich solch dämliche Worte angucken! Warum sollten wir uns und unsere Mitarbeiter nicht so entlohnen für unseren Job, wie andere Handwerker auch! Jetzt ist nämlich die Wertschätzung groß wie nie – die Leute haben endlich mal gemerkt, wie es ist – nicht mehr vom Friseur bedient zu werden! Und die riesigen Verluste? Wenn man nichts auf der Kante hat, sind Verluste wirklich bitter und spätestens – wenn die Kollegen ihre gestundeten Beiträge bezahlen müssen, werden sie von der Wirklichkeit eingeholt und dann wird womöglich die große Pleitewelle kommen!

Ok ich will mal objektiv auf Ihre Kritik eingehen – was ist in Zeiten von Corona Abzocke und was ist die Weitergabe von gestiegenen Kosten?

Eine 50er Packung Mundschutz hat vor Corona 3-4€ gekostet, wer sich mit den Preisen am Markt einmal beschäftigt – sind dies Preise um über 1000% gestiegen – das kann man durchaus als Wucher und Abzocke betiteln – warum regen sie sich nicht darüber auf? Gleiches gilt für Desinfektionsmittel – welches vor der Krise mal ein Bruchteil dessen, was es heute kostet, gekostet hat! Hier geht es nur um „Angebot und Nachfrage“ und nicht um gestiegene Kosten!

Wie ist es bei uns Friseuren oder in der so fürchterlich gebeutelten Gastrobranche?

Die teuren Mundschützer müssen wir nach jedem Kunden wechseln – nach jedem Kunden muss das teure Desinfektionsmittel zum Platz reinigen verwendet werden! Uns, unsere Kunden, unser Werkzeuge, unsere Hände, Umhänge, Handtücher und Kleidung muss umgehend gereinigt, desinfiziert werden.

In meinem Unternehmen sind das monatlich ca. 1500 Euro MEHRKOSTEN die ich auf die Durchschnittliche Zahl meiner Kunden umlege – das macht also 3€ Hygienepauschale pro Kunden inklusive MwSt. – ja richtig – von dieser Pauschale will der Staat auch sein Geld – denn dieser hat so manchen Unternehmer den Arsch gerettet und das müssen wir natürlich über die Steuern zurückbezahlen!

ABZOCKE?

Ganz ehrlich – ich finde eine Anzeige in der Größe einer Visitenkarte für ca. 200€ in irgendeinem Provinzblatt viel mehr abzocke! Für über 200€ bekomme bei Facebook, Instagram und Google richtig Reichweite und erreiche mit wirklich geilen Anzeigen enorme Schichten!

Um die gleiche Reichweite in den Printmedien zu erzielen, müssen Zahlen mit locker einer Null mehr dran bezahlt werden!

Apropos Anzeigen? Womit verdient denn die Rheinische Post sein Geld – mit dem Aneinanderreihen von Buchstaben und Worten – insbesondere die eines stellvertr. Chefredakteurs mit der Empathie einer Kaffeemaschine – doch sicherlich nicht so unglaublich viel?

Nun gut – ich hoffe doch mal, dass viele ihre Unternehmenskunden diese Worte genau so lieben werden wie ich und viele meiner Kollegen es tun – denn dann werden sie hoffentlich keine Anzeigen mehr kaufen – und wehe sie geben diesen immensen Verlust dann an Ihre Kunden weiter – dann sind sie nämlich nach eigenem dafürhalten – unsolidarische Abzocker!

Herzliche Grüße Christian Funk – Friseurmeister – Friseurunternehmer – Blogger – Friseur Coach und Legastheniker