Zu einem Kommentar zu meinem Beitrag – Spannende Frage: Woram erkennt man einen guten Friseur?  mit der Frage *siehe Bild* – einer verzweifelten Kundin, die keinen guten Friseur finden kann habe ich folgende Antwort gegeben.

Liebe Frau Pfennig,

seit Jahrzehnten wird der Friseurberuf nicht geschätzt – junge Menschen, die den Beruf ausüben wollen, werden belächelt und hören sich von ihren Eltern und Lehren an, das sie doch lieber etwas „vernünftiges“ lernen sollten!

Schon ich wurde von Freunden und Mitschülern für meinen Berufswunsch gehänselt – weil ich „Fritteuse“ werden wollte und das ist nun schon – 32 Jahre her – heute ist die gesamte Situation noch viel krasser!

Warum ist das so?

Friseure sind nahezu die einzigen Handwerker – die gleichzeitig – Künstler und Dienstleister sind – und die deswegen seit Jahrzehnten ihre Arbeit weit unter dem Wert, anderer ehrbarer Handwerksberufe anbieten!

Jeder beispielsweise… Tischler, Maurer, Automechaniker nimmt z.T. das dreifache – aber mindestens mehr als das Doppelte (plus Material)! Das führt dann leider dazu, dass natürlich die Friseurmitarbeiter traditionell auch schlecht bezahlt sind!

Heute kann sich kaum ein Handwerker leisten, seine Mitarbeiter unter 20€ p. Std. zu entlohnen – die Auftragsbücher sind voll und es herrscht Fachkräftemangel! Friseure verdienen heute im Schnitt ca. 10€ und der kalkulatorische Lohnkostensatz ist mit 45-50% bei weitem viel höher als in den meisten anderen Handwerksberufen! (ca. 20%)

Warum das so ist?

Weil wir Friseure zu 90% reine Handarbeit leisten müssen – es gibt keine Maschine, die selbstständig Haare – schneiden – föhnen oder färben kann – auch der Materialeinsatz ist somit deutlich niedriger!

Die schlechten Preise haben auch immer weiter dazu geführt, dass die Arbeiten immer schneller und liebloser ausgeführt werden müssen – auch die Ausbildung ist dabei komplett auf der Strecke geblieben!

Viele Dumpingbetriebe haben ihre Azubis zum Schnellschneidekurs geschickt und dort lernten sie dann mit Maschine und Aufsatz möglichst schnell zu sägen und bei Damen möglichst schnell ans Ziel zu kommen – mehr als gerade das, was sie für die Prüfung brauchen – haben sie dort also kaum erlernen dürfen!

Aber auch in anderen Unternehmen ist kein Geld vorhanden um „gut“ auszubilden und um den Fachkräften Fort – und Weiterbildung zu gewähren. So ist die allgemeine Quote gut geschulter Mitarbeiter unglaublich gering geworden – ich selbst stelle nur noch Mitarbeiter ein, die ich auch selbst ausbilde.

Heute will aber kaum ein Schwein mehr diesen Beruf erlernen – und die, die ihn einmal erlernt haben wollen entweder nicht mehr in diesem Beruf arbeiten – oder machen sich als „Mobile Friseure“ im Reisegewerbe selbstständig und arbeiten mit einem Jahresumsatz von unter 22 000€ steuerfrei der Altersarmut entgegen!

Die Altersarmut würde sie natürlich auch als Angestellte ereilen – aber so haben sie dann inoffiziell wenigstens mehr Geld zum Leben zur Verfügung – denn alles was sie über 22 000€ umsetzten, geben diese Kollegen gar nicht erst an! (also Schwarz eingenommen)

Wie schaut es sonst am deutschen Friseurmarkt aus?

Friseursalons an jeder Ecke, zu immer günstigeren Preisen – Barbershops die i.d.R. durch Clanstrukturen entstehen und eigentlich den Zweck der Geldwäsche dienen – bieten Haarschnitte günstiger als den Döner vom gleichen Chef an!

Friseursalons – die verzweifelt mit billigen Preisen gegen die überbordende Konkurrenz steuern – die dann natürlich auch billige Mitarbeiter suchen und dann am Ende meistens allein als Einzelkämpfer mit einem „offiziellen“ Einkommen unter dem Hartz 4 Satz, vor sich hin schnibbeln!

Die, die noch eine Billigkraft für um die 10€ gefunden haben – die krebsen am Rande des Existenzminimums rum und haben mit diesen billigen Damen und Herren natürlich keine Topfriseure die hochmotiviert ihre Arbeit mit Liebe, Begeisterung und Freude erarbeiten – sondern i.d.R. schlecht ausgebildet, im Akkord für Stundensätze um die 30€ möglichst schnell ackern müssen!

Der größte Teil der Friseurunternehmen sind mit ihrem Umsatz und dem dadurch erreichbaren Gewinn eigentlich „offiziell“ gar nicht Überlebensfähig – jeder Unternehmer der unter 100 000€ Nettoumsatz (p. Jahr) verbucht, hat mit ca. 20% Gewinn – nur 20000€ pro Jahr vor Steuern verdient!

Teilen wir das mal durch 12 Monate – bleiben 1666€ übrig – davon müssen wir noch  Einkommenssteuer abziehen und bleiben so bei weit weniger als dem Mindestlohn – zum Leben – für Rücklagen – für Liquidität – Altersvorsorge und Krankenversicherung – das sind Werte die einfach vollkommen krank und abstrus sind und so niemals zu einem gesunden und fröhlichen Berufsbild führen können! Das hier im großen Stil manipuliert wird – liegt natürlich auf der Hand – was uns nun auch die Kassenbonpflicht beschert hat!

Warum sich Friseure dies antun – fragen sie sich gerade?

Weil wir unseren verdammten Job lieben – wir lieben es Kunden zu beraten und glücklich zu machen und wir lieben es, nicht an einem toten Gegenstand zu arbeiten – sondern am Menschen und machen wir diesen Menschen glücklich – dann gehen wir auch glücklich und zufrieden nach Hause!

Das macht süchtig – so sind wir also Glücksjunkies – die diesem Kick hinterher hecheln und leben freiwillig an der Armutsgrenze nur um dieses Glück zu erleben! Nur genau wie andere Junkie werden wir in dem was wir so tun nicht besser – sondern wegen unserer zittrigen Finger und dem Druck immer schlechter! 😂🤞

Nun zu ihrer Frage – wie und wo finde ich einen guten Friseur…

Zurzeit sind ca. 86 000 Friseursalons (nicht Unternehmen) erfasst – 700 000 tägliche Kundenkontakte und über 240 000 Friseure und Friseurinnen am Markt, davon sind ca. 10% sogenannte Barber (mit z.T. zweifelhaften Geschäftsstrukturen und billigsten Preisen),  mindestens 10% Großfilialbetriebe )von denen der Größte gerade mit einer Insolvenz kämpft), mindestens 30% der Friseurbetriebe sind jene die unter 22 000€ Jahresumsatz liegen, weitere mindestens 35% liegen unter 50 000€ Umsatz und wie viele dann noch unter 100 000€ liegen kann ich gar nicht beurteilen.

Ziehen wir also von den 86000 Salons die 85% ab – bleiben 12900 Friseursalons übrig – von denen wir jetzt einfach mal 10% der gesamten 86000 ( das könnten sogar noch viel mehr sein) Kollegen abziehen, die auch noch unter der 100 000€ Schallmauer liegen, dann landen wir bei mageren 4300 Salons (5%) die offiziell von ihrer Selbstständigkeit glücklich und lohnend Leben können und auch ihren Mitarbeitern ein lebenswertes Auskommen bieten.

40% von ca. 80 Millionen Deutschen gehen offiziell zum Friseur – das heißt das 32 Millionen Kunden – hätten sie alle den Wunsch einen wirklich guten Friseur zu finden – müssten sich um 4300 Salons kloppen! 😊

Nun – ich will jetzt nicht behaupten, dass sie nur in diesen 5% der Friseursalons einen adäquaten Haarschnitt bekommen – ganz sicher gibt es sehr viele Salons die eine/en oder mehrere tolle und talentierte Mitarbeiter beschäftigen, die in einem billigeren Salon tätig sind und hervorragende Arbeit leisten – aber die Wahrscheinlichkeit das sie dort eine glückliche und motivierte Arbeitsfachkraft vorgesetzt bekommen, die ihren Beruf als Berufung und wirklich mit Begeisterung und Freude ausführt – wird deutlich niedriger sein – als in all den wenigen anderen Salons!

Ein Kollege in einer Friseurgruppe auf Facebook schrieb in einer Diskussion, das Preise anpassen im Großteil der Branche niemals funktionieren könne – man müsse sich den Marktbegebenheiten anpassen! 🤢

Da stelle ich mir dann aber die Frage – in wie fern man sich an diese Begebenheiten noch anpassen sollte? 😎

Die einzige sinnvolle Möglichkeit, diese Wucherungen zu überwinden ist seine Arbeit so qualitativ hochwertig wie möglich anzubieten und dafür dann auch einen angemessenen Preis zu verlangen und seine Mitarbeiter mit angemessenen Löhnen für diese tolle Arbeit zu ent- und zu belohnen!

Also bei der Suche nach einem adäquaten Friseur für Ihre Haare, begeben sie sich auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen – aber diese Nadeln erzählen hoffentlich auf ihren Webseiten, dass sie Qualität bieten – das sie ihre Mitarbeiter gut entlohnen und das sie nicht zu den 95% am Marktdurchschnitt gehören – das macht die Suche dann vielleicht doch deutlich einfacher!